Tadasana und Samasthiti werden häufig synonym verwendet. Was viele nicht wissen, ist, dass Samasthiti Tadasana impliziert. Aber egal wie man die Haltung nennt – es ist eines der wichtigsten Yoga-Asanas überhaupt. Warum? Wer die Ausrichtungsprinzipien in Tadasana verstanden hat, kann diese auf alle anderen Asanas übertragen. Achte auf die Details und die Aufrichtung, und erfahre die Wirkung von Samasthiti – dem achtsamen Stand im Yoga.
Tadasana vs. Samasthiti – was ist die korrekte Bezeichnung?
Der Berg, auch Tadasana genannt, wird häufig mit Samasthiti gleichgesetzt. Was ist also der richtige Name für diese Haltung?
Samasthiti – der achtsame Stand – ist gewissermaßen eine Anweisung, um die Aufmerksamkeit, in ausgewogene Stille zu bringen. Es ist die Praxis des Stehens mit voller Aufmerksamkeit. Tadasana hingegen ist die Haltung, die Samasthiti impliziert. Diese Posen sind nicht anders. Sie sind gleich. In der korrekten Ausführung von Tadasana kann sich Samasthiti entfalten.
Mit Blick auf die Wurzeln wird es ganz klar. Tadasana (tada = Berg / Asana = Pose) heißt übersetzt Berg-Pose, während Samasthiti (sama = gleich / sthiti = etablieren, stehen) eine gleiche und stabile Haltung meint.
Wenn dein Yogalehrer also Samasthiti ansagt, während du in Tadasana stehst, meint er/sie, dass du deine Aufmerksamkeit auf deine Haltung bringen sollst.
Samasthiti – mehr als einfach rumstehen!
Diese stehende Yogahaltung ist Ausgangsbasis für viele andere Asanas z.b. den Baum. Es geht darum, die Erdung und gleichzeitig die Aufrichtung des Körpers zu erfahren und zu nutzen. So werden die Gelenke entlastet und die inneren Organe können besser arbeiten. Besondere Vorteile ergeben sich auch für die Atmung und die Verdauung. Samasthiti ist eine wahre Wohltat für den Körper und viel mehr, als einfach rumzustehen.
Mit Samasthiti den Körper lesen
Auch wenn der achtsame Stand so einfach aussieht, kann das detailverliebte Auge viel von dieser Haltung ablesen. Wie sind deine Füße ausgerichtet? Wie sieht es ein Stockwerk höher mit der Beinachse und den Hüften aus? Sind die Schultern auf gleicher Höhe? Hat die Wirbelsäule ihre natürliche S-Krümmung? Und und und… Wer weiß, worauf man besonders achten muss (meist hat man eine Vermutung), kann sich in Tadasana und allen anderen Yoga-Positionen besser ausrichten.
Die wichtigsten Ausrichtungspinzipen für Tadasana
- Füße fest verwurzelt: Richtig genutzt sind die Füße die ideale Konstruktion, um aufrecht im Leben zu stehen. Großzehenballen und Ferse sind fest verwurzelt, während zwischen Außenkante, Ferse und Großzehenballen ein diagonaler Kraftbogen entsteht: Das Längsgewölbe des Fußes, durch das die Kraft der Erde emporströmt. Die Ferse ist so senkrecht aufgerichtet, der Vorfuß liegt waagrecht auf.
- C-Bogen in der Wirbelsäule (Autoelongation): Innere Aufrichtung und Zentrierung entstehen durch eine bewusste Längsspannung der Wirbelsäule. Hierzu werden die beiden Pole Kopf und Becken kaum sichtbar eingerollt: Eine sanfte Ja-Nickbewegung des Kopfes (der Nacken wird lang) und ein leichtes Einrollen des Beckens (der untere Rücken wird länger).
- Spiralprinzip in den Beinen: Das Spiralprinzip in den Beinen verfeinert noch die Beckenposition (siehe C-Bogen). Manchmal wird nur das Einrollen des Steißbeines bzw. das Hochziehen das Schambeins angesagt. Ich finde die Spiralen im Ansusara Yoga haben den C-Bogen weitergedacht und verfeinert. Daher möchte ich das Prinzip hier kurz erklären:
- Die innere Spirale in den Beinen beginnt beim Großzehenballen hinauf durch das Becken in den Bereich der Taille. Dreht man die Oberschenkel-Innenseite nach innen, weitet sich das Becken. Die innere Spirale der Arme dreht die Unterarme nach innen, entgegen der anatomisch neutralen Position.
- Die äußere Spirale ist eine sich zusammenziehende Spirale. Sie läuft von der Taille nach unten durch das Steißbein und dann durch Beine und Füße. Um Becken und Oberschenkel näher zusammenzubringen, schiebe Hüfte und Oberschenkel nach vorne und drehe die Beine nach außen. In den Armen dreht die Spirale die Oberarme nach außen und voneinander weg, und verfeinert so die herzöffnende Funktion der Anusara Yoga Praxis.
- Von der Verwurzelung zur Ausdehnung: Dieses Prinzip bedeutet, sich beginnend bei den im Boden verwurzelten Füßen über die Schwerkraft hinaus nach oben zu strecken. Stelle dir dazu eine gerade Linie vor, die von deinen Füßen, über die Hüfte bis zum Kopf über deinen Scheitelpunkt und darüber hinaus reicht (=Longitudinalachse). Die Füße sind nach unten gut geerdet während dein Scheitel sanft nach oben zieht. Atme weiter gelassen ein und aus. Versuche zu spüren, wie sich die Wirbelsäule mit jeder Ausatmung verlängert.
Schritt für Schritt von Tadasana in Samasthiti
Wir arbeiten uns beginnend bei den Füßen Stockwerk für Stockwerk hoch. Falls eine Beschreibung für dich unklar ist, schreib mir dies gerne in den Kommentaren und ich versuche andere Worte zu finden :).
- Füße: Stell die Füße hüftgelenksbreit und parallel zum langen Mattenrand hin. Verteile das Gewicht nun gleichmäßig auf den folgenden vier Punkten: Großzehenballen, Kleinzehenballen, Fußaussenkante- und Innenkante der Ferse. Stell dir vor, du hast hier Wurzeln, die tief in die Erde wachsen.
- Zehen: Hebe nun deine Zehen an und spreize sie so weit es geht. So aufgefächert deine Zehen wieder ablegen. Erde insbesondere die Fußaussenkante und den Großzehenballen und spüre den satten Bodenkontakt. So erfolgt die Längsspannung im Fußgewölbe.
- Becken Pol (Beinachse / Hüfte): Ziehe die Oberschenkelinnenseiten nach hinten – so entsteht zunächst mehr Kurve (Hohlkreuz) im unteren Rücken, dafür aber Weite in deinem Hüftgelenk (=innere Spirale im Anusara Yoga). Im nächsten Schritt, rolle sanft dein Steißbein ein und bring wieder mehr Länge in den unteren Rücken (äußere Spirale). Finde hier die richtige Balance zwischen innerer und äußerer Spirale.
- Knie: Deine Kniescheiben sind gerade nach vorne ausgerichtet. Achte darauf, die Knie nicht zu überstrecken (besonders wenn du überbeweglich bist, beuge die Knie einen Hauch – kaum sichtbar).
- Deine Handflächen nach vorne öffnen, den Daumen leicht nach außen drehen. Das öffnet über die Arme deinen Brustraum und bringt mehr Freiheit für die Atmung.
- Schultern: Hebe deine Schultern etwas nach oben zu den Ohren und führe sie dann nach hinten. Denk dir dabei deine Schlüsselbeine lang – aufgespannt wie ein Kleiderbügel.
- Kopf-Pol: Führe den Hinterkopf leicht nach hinten (als ob du deinen Kopf an eine Wand lehnst) und mach eine feine Ja-Nickbewegung nach unten. Dein Nacken soll sich frei anfühlen , dein Kopf schwebt auf der Wirbelsäule wie eine Blüte am Stengel.
- Deine Augen sind weich, dein Blick in den Horizont ganz entspannt.
- Atme 3 drei bis 5 Minuten in dieser Haltung wie eine atmende Statue.
- Tadaaa! Du stehst aufrecht und bewusst in Samasthiti, dem achtsamen Stand im Yoga.
Tipp für die Füße: Manchmal macht es Sinn, die Zehen leicht nach außen zu drehen (15 Grad). Zum Beispiel dann, wenn du schon jahrelang die Füße leicht nach außen gedreht hast und du Schmerzen in den Hüften bekommst. Dann kannst du mit der ausgedrehten Fußposition beginnen und langsam immer ein paar Grad in Richtung der geraden Ausrichtung gehen.
Hier noch ein Video zu Tadasana, das ich sehr gelungen finde. Leider gibt es dieses nur auf Englisch.
So viel zur groben Struktur… tatsächlich kann Samasthiti noch viel feiner geübt werden. Die Feinabstimmung und Weiterentwicklung unseres Verständnisses von Tadasana führt zu einer gesunden Yoga-Praxis. Bleib standhaft!
Hallo ?,
vielen Dank für diese detaillierte und überzeugende Beschreibung.
Die Spiralen kann ich mir nicht ganz genau vorstellen, die aus dem Anusara-Yoga angesprochen werden.
Gibt es zu den erwähnten Spiralen bildliche Darstellungen?
mit vielen Grüßen aus Saarbrücken
Eva
Da ich gerade in einer Yogaausbildung bin und man da viel recherchieren muss, habe ich diese Seite gefunden.
Ich bin total begeistert von diesen Erklärungen! Danke dafür. Es ist super gut erklärt.