Wir haben sie alle – muskuläre Dysbalancen. Man braucht den Blick nur in ein typisches Büro werfen, um die Situation vor Augen zu haben: den Blick starr auf den Bildschirm gerichtet, ein gerundeter Oberkörper und nach vorne gerollte Schultern. Dieses Bild beschreibt nur eine Situation, die ein muskuläres Ungleichgewicht hervorrufen kann. Yoga kann helfen, die muskuläre Balance wiederzufinden.
Was sind muskuläre Dysbalancen?
Wusstest du, dass ein Problem in der Schulter, zu einem Problem in deiner Ferse führen kann? Der ganze Körper ist verbunden und Probleme an der einen Stelle haben immer Auswirkungen auf andere Körperbereiche. Unter diesen muskulären Dysbalancen (Ungleichgewicht) versteht man Muskelverkürzungen und/oder Muskelabschwächungen zwischen Agonist (dt. Spieler) und Antagonist (dt. Gegenspieler) durch einseitige Kraftentwicklung bei gleichzeitiger Vernachlässigung der Dehnungsfähigkeit.
Die Ursachen reichen von
- mangelnder körperlichen Beanspruchung,
- einseitiger Belastung beim Sport oder im Alltag,
- ungenügender Regeneration,
- falsche Bewegungsausführung oder
- Verletzungen am Bewegungsapparat.
Vereinfacht ausgedrückt: Starke, harte Muskeln in der einen Region können zu schwachen und untertrainierten Muskeln in einer anderen Region führen.
Dr. Ray Long, ist orthopädischer Chirurg und Autor der Bücher The Key Muscles of Yoga und The Key Poses of Yoga. Er spricht in diesem Zusammenhang von 30 wesentlichen Muskeln, die bei diesem Balanceakt eine besondere Rolle spielen. Dabei unterscheidet er zwischen dem oberen (Upper Crossed Syndrom) und unteren Körperbereich (Lower Crossed Syndrom):
- Upper Crossed Syndrom = muskuläre Dysbalance im oberen Körperbereich, z.B. Rundrücken. Dieses Phänomen ist typisch bei Personen, die viel am Schreibtisch sitzen. Steife Schultern, ein überstreckter Nacken, schwache Nackenmuskulatur und untrainierte Rückenmuskeln sind ein Merkmal.
- Lower Crossed Syndrom = muskuläre Dysbalance im unteren Körperbereich. Hier können ein verspannter bzw. verkürzter Psoas, schwache untere Rückenmuskeln oder schwache Po-Muskeln Probleme machen. Auch steife Muskeln rund um den Bereich der Schienbeine oder eine verkürzte Beinrückseite können übel mitspielen und z.B. Ursache für eine plantare Fasciitis (Fersschmerzen) sein.
Yoga bringt dich in die (muskuläre) Balance
Wenn du dieses Prinzip verstanden hast, ist es offensichtlich, warum Yoga unserem Körper so gut tut. Wir dehnen die Muskeln die dazu tendieren steif und hart zu sein, während wir jene Muskeln stärken, die tendenziell schwach sind. Natürlich, wer immer Chaturanga Dandasana (dt. das Brett) übt und keine Ausgleichshaltungen einbaut, um den Oberkörper wieder weit zu machen und zu dehnen, wird von den positiven Yoga-Aspekten nichts spüren. Um daher die richtige Balance zu finden, tauchen wir etwas tiefer in das Thema ein.
Yoga Asanas bei Upper Crossed Syndrom
Beim Upper Crossed Syndrom wollen wir den mittleren Rücken sowie die tiefen Nackenbeuger und die Halsmuskulatur stärken. Weite im Brustraum z.b. in Form sanfter Rückbeugen ist wichtig, um die steifen Brustmuskeln (Pectorialis Major, Pectorialis minor) zu dehnen. Wesentlich ist auch, die Schulter (Rhomboiden, Serratus anterior, Trapezius) sowie die externen Rotatoren des Oberarms (Infraspinatus, Posterior Deltoids, Teres Minor) zu stabilisieren. Der Nacken ist meist verspannt und gehört sanft mobilisiert. Diese Asanas können dabei helfen:
- Purvottanasana (dt. der Tisch)
- Gomukhasana (dt. Kuhsitz)
- Virabhadrasana II (dt. Krieger II)
Yoga Asanas bei Lower Crossed Syndrom
Hier lassen sich zwei verschiedene Zonen unterscheiden.
Von der ersten Zone können insbesondere Läufer ein Lied singen: verkürzte Hamstrings (Biceps Femoris). Sogar die strammen Waden (Gastrocnemius, Soleus) können zu muskulären Dysbalancen führen, da sich häufig entlang der Schienbeine (Tibialis Anterior, Tibialis Posterior) kleine Schwachstellen einschleichen.
Weiter oben im Körper ist eine zweite Zone, die Probleme machen kann. Hier kämpfen Leute mit steifen Rückenextensoren (Erector Spinae) und verkürztem / angespanntem Hüftbeuger (Psoas, Rectus Femoris). Wir sitzen im Gegensatz zu Indern kaum noch am Boden sondern schon in jungen Jahren auf Stühlen. Dadurch ist die Hüfte gebeugt und durch diese andauernde Haltung verkürzt der Psoas, was im schlimmsten Fall zu einem Hohlkreuz im Lendenwirbelbereich führen kann.
Schwach sind bei dieser Personengruppe zudem die Po-Muskeln (Gluteus Maximus, Gluteus Medius) sowie die Bauchmuskeln (Transversus Abdominis, Rectus Abdominis, Internal Obliques). Wenn du dauernd schlampig am Sessel sitzt, degenerieren diese Muskeln – das sieht selbst ein ungeschultes Auge.
Empfehlenswert sind daher folgende Yoga-Übungen:
- Utthita Trikonasana (dt. Dreieck)
- Adho Mukha Svanasana (dt. Herabschauender Hund)
- Setu Bandha Sarvangasana (dt. Schulterbrücke)
Muskeln passen sich den Positionen an, in denen sie sich am häufigsten befinden. Wer also seine Schwachstellen kennt und darauf angepasst regelmäßig Yoga übt, wird im Alltag bald eine positive Veränderung bemerken. Insbesondere in Yoga-Einzelstunden kann man an diesen Themen arbeiten. Practice well!
Habe mich gerade beim Lesen in der typischen Schreibtisch Position ertappt gefühlt. Yoga ist etwas, was mich zum Abschalten schon interessieren würde. Wenn es dann noch für den ganzen Körper so viel Gutes tut, werde ich mich mal nach einem passenden Studio umschauen. Danke für den informativen Artikel!