Der Winter ist für mich eine Zeit des Rückzugs und der Regeneration, um Kraft für das neue Jahr zu tanken. Daher passe ich in den kalten Wintermonaten auch meine Yoga-Praxis an. Dieses Jahr habe ich Yin-Yoga für mich entdeckt. Bei diesem Yoga-Stil werden die Asanas bis zu 5 Minuten lange gehalten. In dieser Zeit heißt es „nichts tun“, sich einfach hingeben und loslassen. Ideal, um befreit in das neue Jahr zu starten.
Draußen fällt der erste Schnee. Ich sitze im Schneidersitz auf meiner Yogamatte im Wohnzimmer und beobachte, wie dicke Schneeflocken vom Himmel fallen. Eigentlich wollte ich einige Sonnengrüße üben um die leeren Keksdosen zu rechtfertigen, doch irgendwie passt das heute nicht. Ich schnappe mir daher eines meiner Yoga-Kissen und falte mich zusammen in Paschimottanasana, der ganzen Vorbeuge im Sitzen. Ganz passiv lasse ich mich sinken, indem ich meine Stirn auf dem Polster vor mir ablege. Mmhhh…. das ist kuschelig, das ist Yin-Yoga.
Der sanfte Weg mit viel Wirkung
Was sich so gemütlich anhört, ist aber nicht zu unterschätzen. Die Asanas werden im Yin-Yoga zwischen drei und fünf Minuten gehalten. Das kann sich ganz schön lange anfühlen. Im Gegensatz zu einer Yang orientierten Yoga-Praxis, wo wir vor allem unsere Muskeln spielen lassen, werden beim Yin-Yoga tiefer liegende Körperschichten wie Faszien, Bänder, Sehnen und Gelenke angesprochen.
Die Wirkungsweise ist ähnlich wie bei der Akupunktur – Gott sei Dank aber ohne Nadeln. Durch das lange Halten der Asanas werden verschiedene Meridiane angesprochen und sogar mögliche Blockaden gelöst. Einer der Begründer von Yin-Yoga ist Paul Grilley. Er hat die Meridianlehre studiert und die Zusammenhänge zwischen Asanas und den Meridianen erforscht. Daher kann man beim Yin-Yoga den Fokus auf ein Organ wie die Leber legen, und Übungen für das Meridianpaar Leber- und Gallenblase üben. Yin-Yoga Lehrer müssen daher nicht nur über gute Anatomie-Kenntnisse verfügen, sondern auch die Meridianlehre beherrschen.
Yin & Yang: Ein unzertrennliches Paar
Eine gesunde Balance ist in allen Lebensbereichen wichtig. Dazu braucht man die ruhigen Yin-Aspekte genauso wie die aktiveren Yang-Kräfte. Das daoistische Symbol beschreibt dieses gegensätzliche Paar, die ohne einander nicht existieren können, sehr gut. Denn auf jeder Hälfte ist ein Teil der anderen Hälfte zu finden. Die schwarze Seite steht für Yin, die weiße Seite für Yang. Zusammen bilden sie eine Einheit.
Yoga – der Weg der Mitte
Yin und Yang wirken auch in unserem Körper und Yoga soll diese Aspekte in Einklang bringen.
- Unsere harten, unelastischen Teile im Körper werden dem Yin zugeordnet. Dazu zählen z.B. unsere Knochen und Gelenke.
- Die weichen, elastischen Körperteile sind hingegen charakteristisch für das Yang.
Die im Westen bekannten Yoga-Stile wie Ashtanga Yoga oder Vinyasa Flow sind meist Yang-orientiert. Die Übungen sind kraftvoll und der Fokus liegt auf den Muskeln. Im Yin-Yoga werden die Übungen hingegen ganz ohne Kraftaufwand ausgeführt. So werden die Yin-Bereiche im Körper angesprochen und zum Beispiel steife Gelenke wieder geschmeidig. Yin Yoga steht daher nicht in Konkurrenz mit anderen Yoga-Stilen, sondern ist die perfekte Ergänzung dazu. Eben ein unzertrennliches Paar wie Yin und Yang.
So übt man Yin-Yoga
Yin-Yoga wird vor allem im Sitzen oder im Liegen geübt. Wie bereits erwähnt, kann der Fokus auf einem Organ liegen, oder man übt einen Mix um den gesamten Qi Fluss anzuregen. Die Herangehensweise erfolgt stets in drei Schritten:
- In die Übung hineinfinden, bis eine angenehme Dehnung zu spüren ist.
- Still werden: Die Aufmerksamkeit nach innen richten und die Atmung ruhig fließen lassen.
- Passiv in der Haltung bleiben, loslassen. Anfänger üben drei Minuten, Fortgeschrittene halten das Asana fünf Minuten lang.
Sobald ein Schmerz zu spüren ist, sofort nachjustieren und das Asana anpassen. Yin-Yoga kann sehr tief gehen und verschiedene Emotionen wie Wut, Angst oder Ärger können hochkommen. Wichtig ist zu versuchen diese Gefühle anzunehmen. Das Ausharren in der Position kann uns lehren, auch im Alltag besser mit diesen Gefühlen umzugehen. Achte aber auch hier auf deine Grenzen!
Typische Yin-Yoga-Asanas
Die Taube (Eka Pada Rajakapotasana), die Kindsposition (Balasana), die gegrätschte Vorbeuge (Prasarita Padottanasana), die Schildkröte (Kurmasana) oder der halbe Schmetterling (Janu Shirshasana)…. das ist nur ein kleiner Auszug typischer Yin-Yoga Positionen. Gerne verwende ich beim Yin-Yoga auch Yoga-Klötze, Decken und Kissen. Manchmal muss sogar die Wand herhalten, damit ich meine Füße hochlagern kann.
Da Bilder mehr als Worte sagen und ein Video tausende Bilder hat, hier noch ein Yin-Yoga Video für Einsteiger. Viel Spaß beim Loslassen!
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