Der Online-Handel mit Arzneimitteln ist in den vergangenen Jahren so stark gewachsen, wie China nur in guten Zeiten. Warum? Weil die Gewinnspannen enorm sind. Kein Wunder, dass da manchmal sogar pulverisierte Schraubenzieher aus Fernost in Viagra-Pillen enden. Die Kunden bezahlen – manchmal sogar mit dem Leben.
Für Paul* war der gestrige Abend schon wieder ernüchternd. Deswegen hatte die Neugier seine letzten Zweifel besiegt. „Bestellung erfolgreich“, blinkt es in der Mailbox. Die in einer Online-Apotheke bestellte Packung Viagrapillen löst seine Probleme. Zumindest glaubt er das. Denn als einer von 700.000 Männern, die in Österreich an Potenzstörungen leiden, hat Paul sich soeben in den Kreis der 100.000 Konsumenten von Potenzpillen eingereiht. Weil ihm der Gang zum Arzt peinlich ist, fragt er wie Millionen andere Dr. Google um Rat. Immerhin ist das gesuchte Heilsversprechen nur einen bequemen Klick entfernt. Und für „Viagra rezeptfrei“ tauchen in 0,29 Sekunden mehr als drei Millionen Ergebnisse auf. Verlockend. Dabei ist Viagra ohne Verschreibung in Österreich legal gar nicht zu haben.
Längst werden im Internet nicht mehr nur Bücher verkauft. Denn Aspirin auf Vorrat, dubiose Wundermittel oder eben Viagra können längst über Apotheken aus dem Ausland bestellt werden. Vielfach an der Grenze der Legalität. Laut Arzneiwareneinfuhrgesetz dürfen ausschließlich rezeptfreie Präparate für den persönlichen Bedarf mit österreichischer Zulassungsnummer importiert werden. Und daran halten sich keineswegs alle Online-Apotheken. Das Webportal konsument.at hat 16 EU-Internet-Apotheken getestet. Zehn davon sind wegen illegaler Medikamentenlieferungen durchgefallen. Sofern eine Arzneimittel-Sendung innerhalb der EU aufgegeben wird, kontrolliert der Zoll nur stichprobenartig. Sendungen aus Drittländern werden hingegen konsequent geprüft und im Bedarfsfall vernichtet.
Apotheken als Postpartner
Mag. pharm Kurt Pröll betreibt die Froschberg Apotheke in Linz. Beim Gespräch über Online-Medikamente berichtet er über seine Erfahrungen als ehemaliger Postpartner: „Da waren natürlich auch Stammkunden, die sich Pakete von Online-Apotheken abgeholt haben. Die waren dann fast ein wenig verstohlen. Einen hatten wir dabei, der wollte das Paket bei mir öffnen und den Inhalt erklärt bekommen. Ich habe gesagt, das sei nicht ganz korrekt. ‚Sie kaufen wo anders und ich darf Sie beraten.’ Wir haben das dann natürlich trotzdem gemacht, auch wenn es eine paradoxe Situation war.“ Österreichischen Apotheken dürfen übrigens auch als Postpartner keine Medikamente online verkaufen. Noch nicht. Denn diese Situation wird sich 2014 aufgrund einer EU-Richtlinie ändern. Dann können auch die Apotheken hierzulande rezeptfreie Arzneien über einen Online-Shop vertreiben.
Eine Goldgrube für Fälscher
Potenzmittel, allen voran Viagra, führen die Hitliste illegaler Medikamentenlieferungen an. „Jedes zweite im Internet bestellte Medikament ist eine Fälschung“, so die Weltgesundheitsorganisation (WHO). 2011 zog der österreichische Zoll 41.589 gefälschte Medikamente aus dem Verkehr. Die Kosten trägt der Empfänger, im Wiederholungsfall drohen Strafen von bis zu 7.260 Euro. „Mir hat mal jemand eine Schachtel aus Indien gezeigt. Sah aus wie das Original, aber alles auf indisch beschrieben. Was drinnen ist – keine Ahnung. Aber eine Angst ist da. Wer weiß was man da schluckt. Einen Schraubenzieher aus China? Da tauchen wilde Sachen auf“, erzählt Pröll.
Die „wilden Sachen“ tauchen deswegen auf, weil sich mit illegalen Medikamenten viel Geld verdienen lässt. Die blaue Sex-Pille gehört zu den am häufigsten gefälschten Medikamenten und ist Teil eines globales Milliardengeschäfts, lukrativer als der Drogenhandel. Der Verkauf eines Kilo Kokains bringt eine Gewinnspanne von 2.500 Prozent, jener von gefälschten Pillen bis zu 47.000 Prozent.
Die Ursuppe Internet kocht ihre eigenen Medikamente
Ob chemische Substanzen, Rattenkot oder eben pulverisierte Schraubenzieher – im schlimmsten Fall sind die Inhaltsstoffe gefälschter Lustpillen lebensgefährlich. Selbst mit korrekten Zutaten, kann es immer noch Probleme mit der Dosierung geben. Das provoziert Nebenwirkungen die von Herz-Kreislaufbeschwerden bis hin zu Magen-Darm-Blutungen reichen.
„Ich selber bekomme jeden Tag zehn Angebote, wo ich Viagra aus China kaufen könnte. Nur ob es auch Viagra ist, weiß ich nicht. Das kann man so ja nicht erkennen“, schildert Pröll. Dabei sinke seiner Ansicht nach die Hemmschwelle, Potenzmittel auch in der Apotheke um’s Eck zu kaufen: „Die Zeiten wo die Männer hinten herein sind und gewartet haben, bis ich als einziger Mann in der Apotheke Zeit habe, die gibt es nicht mehr.“ Und das ist die Chance der Apotheken: „Unsere Schiene, die wir halten müssen, ist die Beratung des Kunden. Den Arzneimittelfälscher im Hinterhof kann der Kunde ja nicht fragen.“
Keine Lieferung. Keine Nebenwirkungen.
Für Paul endet der Traum von der Lustpille noch einmal glimpflich. Die Pille kommt nicht an, wird als Sendung aus einem Drittland zuverlässig vom Zoll beschlagnahmt. Gleichzeitig bröselt sein Vertrauen in Online-Apotheken. Eine erneute Recherche bei Dr. Google hat gezeigt, dass die Pillen aller Voraussicht nach gefährlich waren.
* Name von der Redaktion geändert
Bildnachweis: bigstockphoto.de, Herby ( Herbert ) Me – Fotolia.com / Froschberg Apotheke
Da hat der Mann noch einmal Glück gehabt. Zum Glück kann eine analoge, nicht digitale Apotheke auch oftmals gut beraten. Nur fragen muss man eben selber.