Eine Möglichkeit um eine Yoga-Stunde sinnvoll aufzubauen nennt sich Vinyasa Krama und bedeutet so viel wie Yoga üben in Schritten. Diese Methode wird vor allem im Vini Yoga, der Tradition von Krishnamacharya, angewendet. Dabei wird jede Stunde zu einem anderen Hauptasana gestaltet (je nach verfügbarer Zeit kann man auch zwei Hauptasanas einbauen). Dieses Hauptasana bildet den Höhepunkt der Stunde und gibt den Ton an. Wie das funktioniert, zeigen wir hier.
Mit einem sicheren Handgriff wird die Matte im Wohnzimmer ausgerollt und das Sitzkissen zurechtgerückt, während entspannende Musik den Raum erfüllt. Die perfekten Voraussetzungen sind geschaffen damit die Welt für ein paar Atemzüge stillsteht. Die Freude sich zu strecken, zu entspannen und kraftvoll den Körper zu spüren ist groß. Doch wenige Minuten später steht die Yogamatte wieder zusammengerollt in der Ecke. Was sich in der Yogastunde so gut anfühlt, ist zu Hause oft schwierig zu erreichen, da schlicht und ergreifend die Idee fehlt, um Asanas sinnvoll aneinander zu reihen.
Damit die Yoga-Praxis auch daheim klappt, braucht es vor allem eines: Disziplin. Ein Kind das gehen lernt, fällt ziemlich oft auf den Boden bis es sicher einen Schritt vor den anderen setzt. Daher sollte man nach dem ersten gescheiterten Yoga-Anlauf in den eigenen vier Wanden nicht gleich aufgeben. Also hole die Yogamatte wieder aus der verstaubten Ecke – schließlich haben wir alles im Leben nur deswegen gelernt, weil wir es immer und immer wieder versucht haben. Im Yoga nennen wir das Tapas – das hat nichts mit spanischem Fingerfood zu tun. Übersetzt aus dem Sanskrit bedeutet es so viel wie Disziplin und meint, dass wir unserer Yogamatte regelmäßig einen Besuch abstatten sollen – auch wenn es am Morgen noch soooo gut im Bett ist.
Startschuss: So beginnt die Yoga Stunde zu Hause
Beginnen wir mit ein bisschen Smalltalk. Wie geht es dir heute? Bist du müde und möchtest dich aktivieren, oder bist du aufgekratzt und möchtest vor dem Bett gehen zur Ruhe kommen? Folgende Fragen zu Beginn deiner Yoga Praxis liefern dir Antworten:
- Was brauche ich heute?
- Wo sind meine Gedanken?
- Wie fließt mein Atem?
- Wie fühlt sich mein Körper an?
- Gibt es Bereiche im Körper, die heute mehr Aufmerksamkeit brauchen?
Tipp: Auch die Zeit ist ein wichtiger Faktor für die Stundengestaltung. Wie viel Zeit hast du heute für deine Praxis zur Verfügung? Für die Bestandsaufnahme am Anfang solltest du bei einer 60 Minuten Einheit mindestens 5 Minuten einplanen.
Beispielhafte Zeiteinteilung für eine 60-minütige Yogaeinheit:
- 5 Minuten ankommen
- 5 Minuten Warm up z.B. Sonnengruß
- 15 Minuten vorbereitende Asanas (bei einer intensiven Rückbeuge sind das leichte Rückbeugen)
- 10 Minuten Hauptasana – dynamisch und statisch
- 15 Minuten ausgleichende Asanas (bei einer intensiven Rückbeuge sind das leichte Vorbeugen)
- 5 Minuten Pranayama
- 5 (besser 10) Minuten Shavasana
Wähle ein Hauptasana
Wer die Wahl hat, hat die Qual: Vorbeugen, Rückbeugen, Drehungen, Umkehrhaltungen, Seitbeugen, Standpositionen… Yoga-Asanas gibt es unendlich viele. Je nachdem welches Ziel du dir für die Yoga Praxis vornimmst, kannst du dein Hauptasana wählen. Hier ein kleiner Überblick, was die verschiedenen Yoga Positionen bewirken:
- Vorbeugen (z.B. ganze Vorbeuge im Stehen oder Sitzen) sind beruhigend und besonders am Abend zu empfehlen. Über das Prinzip der Vorbeugen habe ich bereits einen Artikel für euch verfasst.
- Rückbeugen (z.B. Kobra, Schulterbrücke) weiten den Herzraum und sind z.B. gut bei depressiven Verstimmungen
- Umkehrhaltungen (z.B. Handstand, Schulterstand) stellen alles auf den Kopf und sind das Gegenteil zu alltäglichen Haltungen. Sie wirken vor allem verjüngend und zaubern Aufregung und Nervosität weg.
- Balancehaltungen (z.B. der Baum) zentrieren den Geist und stärken die Verwurzelung in der Erde
Tipp: Das Hauptasana soll zunächst dynamisch im Rhythmus der Atmung geübt werden, bevor es statisch für einige Atemzüge gehalten wird. Das erlaubt dem Körper Schritt für Schritt in eine Position hineinzufinden.
Richtige Vor- und Nachbereitung der Yogastunde
Dein Hauptasana ist das körperlich anstrengendste Asana und stellt den Höhepunkt deiner Yoga-Praxis dar. Entsprechend der Bereiche, die bei diesem Asana am meisten beansprucht werden, sollte dein Körper entsprechend vor- und nachbearbeitet werden. Wer auf einen Baum klettert, muss diesen schließlich auch wieder herabsteigen. Am besten versteht man die richtige Vor- und Nachbereitung anhand verschiedener Beispiele
Asana | Prinzip | Vorbereitung | Nachbereitung |
Kobra (Bhujangasana) | Rückbeuge | leichte Rückbeuge z.B. im Stehen oder Heuschrecke | Kindshaltung (Ausgleich im unteren Rücken) |
Sitzende Vorbeuge (Paschimottanasana) | Vorbeuge | ganze und halbe Vorbeuge im Stehen | Schulterbrücke (da leichte Rückbeuge) |
Vorbeuge aus dem Stand | Vorbeuge, leichte Umkehrhaltung da Becken höher wie der Kopf | halbe Vorbeuge | Schulterbrücke (da leichte Rückbeuge) |
Seitbeuge (Vasishtasana) | Seitbeuge | Katze / Pferd, Bretthaltung | Kind, Mobilisierung der Handgelenke |
Wie wird aus dieser Vorgehensweise nun eine Yoga-Stunde? Ganz einfach, indem du verschiedene Asanas aneinander reihst. Hier ein einfaches Beispiel anhand dem Kamel, Ustrasana:
Passe die Yoga-Praxis an deine Bedürfnisse an
Je mehr Routine du hast, desto einfacher wird es für dich deine eigene Yoga Stunde zu gestalten. Denke daran – du bist selbst dein bester Lehrer. Schließlich weißt du am Besten, wie sich eine Haltung für dich anfühlt. Scheue nicht davor zurück, die Form der Asanas an deine Voraussetzungen anzupassen. Du hast eine verkürzte Beinrückseite? Dann beuge deine Knie leicht, um deinen unteren Rücken zu entlasten – das gleiche geht übrigens im Sitzen. Höre auf deinen Körper – er wird dir sagen, was sich gut anfühlt. Und wenn du trotzdem nachschlagen möchtest, was bei diversen Beschwerden in der Yoga-Praxis zu meiden ist, gibt es hier eine Übersicht.
Spiele mit deiner Atmung
Der Atem begleitet dich durch die gesamte Stunde und gibt deinen Rhythmus vor. Für die meisten Menschen fühlt es sich besser an, bei
- „öffnenden“ Bewegung einzuatmen und in
- „schließenden“ oder „drehenden“ Bewegungen auszuatmen.
Es gibt aber auch Atemtypen, für die es genau umgekehrt stimmig ist. Man kann auch bewusst mit der Atmung spielen indem man z.B. den Unterschied wahrnimmt, in der Ein- oder Ausatmung in die Kobra zu gehen. Du wirst merken, dass du dich in der Ausatmung nicht so weit nach oben schlängeln kannst. Warum? Die Ausatmung erschwert den Bauchmuskeln ihren Einsatz und die Rückenmuskeln müssen stärker arbeiten.
Für deine Praxis zu Hause mache dir am Besten zu Beginn nicht zu viele Gedanken, wann du ein- und ausatmen sollst. Du wirst spüren, was sich besser anfühlt.
Pranayama – Atemübungen
Am Ende deiner Asana Praxis kannst du eine Pranayama-Technik deiner Wahl einbauen. Fokussiere deine Aufmerksamkeit in einer bequemen Sitzhaltung auf deinen Atem und beobachte. Im Außen ist nun keine Bewegung mehr gefragt. Die einzige dynamische Bewegung ist im Innen. Mehr zu verschiedenen Pranayama Techniken findest du hier.
Die Belohnung: Shavasana
Den letzten Teil solltest du auf keinen Fall ausfallen lassen. Er ist nicht nur einfach, sondern auch besonders wirkungsvoll. In der Endentspannung entfaltet sich die Wirkung deiner Yoga Praxis. Und du musst dafür gar nichts tun. Einfach hinlegen. Augen zu. Und durch…
Wie kann man Yoga Stunden noch aufbauen?
Wer mehr über Vinyasa Krama erfahren möchte, dem empfehle ich das Buch von Helga Pfretzschner. Es heißt „Yoga üben in Schritten“.
Es gibt aber noch viele weitere Möglichkeiten, wie Yoga-Stunden aufgebaut werden können. Eine Stunde nur für das Wurzelchakra, eine Einheit mit Fokus auf Weite im Herzraum, oder eine Yoga Klasse für gesunde Knie… die Möglichkeiten sind enorm. Wer hier Interesse hat, kann mit dem Buch „Yoga Workouts gestalten“ von Mark Stephens weiter in die Thematik eintauchen.
Wem das Thema hingegen nach wie vor suspekt ist, kann dennoch leicht zu Hause Yoga üben. Es gibt viele Online-Yogastudios, die einem das Homemade Yogaeerlebnis ermöglichen. Der Yoga-Blog Diana Yoga hat auch mal einen Vergleich über veschiedene Yoga-Onlinestudios geschrieben (hier).
Denke daran:
„Practice and all is coming.“ (Sri K. Pattabhi Jois)
Danke für die vielen guten Ideen! Das Tolle ist es ja, dass man sich die eigene Yogastunde zu Hause genau so zusammenstellen kann, wie es für einen am besten passt. Ich habe beispielsweise Tage, da gebe ich mich mit einem ruhigeren, entspannenden Programm zufrieden, während ich an anderen Tagen ein anstrengendes Power Programm durchziehe. Das Wichtigste ist, dass es dem eigenen Körper und der eigenen Stimmung entspricht!
Toller, detaillierter Einblick in Vinyasa Krama. Ab auf die Yogamatte dann! 😛 Ich hatte schon länger überlegt meine Yoga Stunden mit meinem Mann mit Vinyasa Krama aufzubauen. Wir werden es einen Versuch geben 🙂
Sehr anregender Artikel. Ich werde mir das Buch „Yoga üben in Schritten“ mal bestellen 🙂
Vielen Dank für den Tipp
Vielen Dank für die tollen Ideen und Anregungen. Ich mach momentan das YTT und gerate immer wieder auf eure Seite wenn ich was suche. Ist abgespeichert!
Namasté