Schon mal live oder im Fernsehen über einen Hypnotiseur amüsiert, der Menschen dazu bringt, gackernd über eine Bühne zu laufen? Alles klar. Nur, wie oft hast du Hypnose schon als wirksame Therapiemethode betrachtet? Schließlich ist das Thema immer noch von Klischees begleitet – leider zu Unrecht. Der Schweizer Hypnosetherapeut Mike Schwarz spricht im Interview über die Unterschiede zur Showhypnose, Zustände absoluter Entspanntheit und erklärt, was das Lesen eines Buches mit Trancezuständen zu tun hat.
Hypnose zwischen Entertainment und Therapie
Schwingende Pendel, Menschen, die Tierlaute nachahmen, Raucher die plötzlich keine Zigarette mehr anrühren – Klischees rund um Hypnose gibt es genug. Treffen sie zu?
Die wenigsten Klischees treffen zu. Wenn man recherchiert wie die Vorurteile entstehen findet man häufig die Showhypnose als Quelle. Viele haben schon Shows gesehen, wo der Akteur Hypnose-Elemente verwendet, wie z.B. die Blitzhypnose. Der Hypnotiseur testet dafür im Vorfeld Menschen im Publikum aus und holt genau die Leute auf die Bühne von denen er weiß, dass sie offen sind und mitmachen wollen. Mit solchen Menschen macht er die Blitzhypnose. Dabei ist wichtig zu wissen, dass Hypnose eigentlich ein natürlicher Zustand ist, denn das Gehirn sehnt sich nach Entspannung.
Der Show-Hypnotiseur nutzt für seine Zwecke einen speziellen Effekt des Gehirns aus – den Schockeffekt. Das Gefühl dabei ist ein bisschen mit einer Autofahrt vergleichbar, wo man hochkonzentriert ist. Das Unterbewusstsein schaltet und lenkt – gleichzeitig kann man sich erlauben, Gedanken nachzuhängen. Und dieser Zustand ist dem ganz ähnlich was in der Blitzhypnose passiert. Man hat dabei die Augen geschlossen und nimmt auch das Publikum nicht mehr wahr. Wenn jemand sowieso bereits in Partystimmung ist und mitmachen will, befolgt er oder sie gerne Anweisungen wie „Gackere wie ein Huhn“ oder „Wedle mit den Armen“.
Hypnotiseure sind auch auf der Bühne erfolgreich. Wo liegen die Unterschiede zwischen Entertainment und Therapie?
Abgesehen von Grundelementen haben die beiden nichts miteinander zu tun, denn im Rahmen der Hypnosetherapie kommen die Menschen mit einem Problem zum Therapeuten. Im Entertainment wird hingegen bewusst ein magisch, mystisches Image kultiviert. Fernsehen hat es geschafft, über Jahrzehnte hinweg in der Bevölkerung dieses Image zu etablieren. Und das ist fast nicht wegzubringen. Obwohl sie noch nie eine echte Hypnose hatten, haben die Menschen enormen Respekt davor. Dabei wird Hypnose seit Menschengedenken angewendet, es wird nur anders genannt – z.B. Trance oder Meditation. Es handelt sich dabei nur um eine Veränderung des Bewusstseinszustandes des Menschen – und genau diese Veränderung ist in der Lage, Probleme wie Burn-out, Stress oder Ängste zu lösen.
Eine Parallele zur Showhypnose ist, dass der Klient immer genau hört was ich sage, man ist nie willenlos. Das heißt, der Klient wird nie Dinge tun, die er nicht tun möchte. Wenn dir ein Showhypnotiseur auf der Bühne eine geladene Pistole gibt, das Abfeuern aber gegen deine innere Einstellung verstößt, kann der Hypnotiseur das nicht anweisen.
Der Körper sehnt sich nach absoluter Entspanntheit, die ein natürlicher Vorgang ist.
Jemanden in der Therapie in die Hypnose zu führen unterscheidet sich massiv von der Showhypnose. In meiner Therapie gibt es immer ein aufklärendes Vorgespräch, um Vorurteile und Ängste zu eliminieren. Dann begleite ich die Menschen sanft in einen entspannten Zustand – das dauert etwa 6-15 Minuten. Das ist ein sehr sanfter Prozess. Das Hineinführen in die Hypnose (Induktion) mache ich nach Dave Elman.
Dave Elman hat gemeinsam mit Milton Erickson die Hypnose in den USA groß gemacht. Für mich bietet Elman die effizientere Methode. Er geht davon aus, dass jedem Problem ein ursächliches Ereignis (Initial Sensitivity Event) zugrunde liegt. Dieses Event prägt und installiert ein Gefühl, das ab diesem Zeitpunkt im Unterbewusstsein verankert ist. Der Hypnosetherapeut findet dieses Ereignis und löst es gemeinsam mit dem Klienten auf.
Ein Beispiel: Du sitzt als Kind am Fußboden und spielst, dann läuft eine Spinne über den Fußboden. Die Mutter sagt „Oje, eine Spinne“, und ekelt sich. Was jemand selbst in jungem Alter realisiert, ist die hysterische Mutter. Ein derartiges Event setzt einen Anker. Man hat zwar damit nicht automatisch vor Spinnen Angst. Was aber geschehen kann, ist, dass bei einem ähnlich gelagerten Ereignis dieses Event verstärkt wird.
Für eine überbordende Emotion findet man immer ein auslösendes Event – bei Phobien, Ängsten oder genauso Allergien. Das Gehirn muss man sich dabei wie eine Festplatte vorstellen, die ab der Schwangerschaft beschrieben wird.
In der Behandlung lasse ich eine Angst hochkommen. Bei Spinnenphobie habe ich eine Plastikspinne mit. Dann gehe ich in dieses Event hinein und finde das auslösende Ereignis. Dieses Ereignis erkläre ich und bringe es ins Bewusstsein. Dann lösen sich meist die Folgeereignisse automatisch auf. Im Bewusstsein werden lange zurückliegende Dinge plötzlich wieder logisch. Auch Migräne oder Allergien haben viel mit Ängsten und Überforderung zu tun – das Immunsystem zeigt eine Überreaktion. Meist ist der Grund Kopfsache.
Im Vergleich zu Dave Elman, agierte Milton Erickson mit enormer Menschenkenntnis und konnte durch seine blumige, fantasievolle Art die Leute auf eine gedankliche Reise mitnehmen. Dort konnte er gemeinsam mit den Klienten Probleme lösen. Heute ist es aber sehr schwer, Probleme auf seine Weise zu lösen, weil sich sein Genie schwer in einem Prozess beschreiben lässt.
Wie versetzt man überhaupt jemanden in einen Trancezustand?
Man bringt den Patienten in eine Entspannung auf vielen Ebenen. Das betrifft nicht nur die körperliche, sondern auch eine geistige Entspannung. Das Unterbewusstsein hat die natürliche Tendenz in eine derartige Entspannung gehen zu wollen. Es funktioniert so, dass der Klient die Augen schließt und ich die Anweisungen gebe. Zum Beispiel: „Entspanne deine Augenmuskulatur, entspanne jeden Muskel so, dass deine Augen gar nicht mehr aufgehen müssen. Lasse diese Entspannung durch deinen ganzen Körper gehen.“ Wenn ich dann eine Hand anhebe, ist diese völlig entspannt und fällt wieder hinunter.
Für die geistige Entspannung funktioniert das auch mit Zahlen. Wenn jemand langsam von 100 retour zählt und dabei die Zahlen langsam verschwinden lässt, zeigt das Unterbewusstsein, wie phänomenal es funktioniert. Auf diesem Weg erreicht man eine geistige Entspannung und der kritische Faktor – der Wächter des Unterbewusstseins – verschwindet. Auf diesem Weg kann man näher an seine Emotionen. Am ehesten ist das mit dem Zustand kurz vor dem Einschlafen oder Aufwachen vergleichbar.
Welche Ziele verfolgt die Hypnosetherapie damit?
Man kann die Hypnose benutzen, um Probleme zu lösen oder um etwas zu verstärken. Bei Sportlern nennt man das verstärken eines positiven Gefühls mentales Training. Da werden die gleichen Mechanismen genutzt. Ein positiver Zustand wird verstärkt, indem du dir noch mehr sagst „Ich bin hoch konzentriert, ich mache jetzt den Matchball.“ Dein Gehirn kann trainiert werden, den Fokus stärker zu setzen. Das ist Kopfsache.
Trance ist vergleichbar mit dem Lesen eines Buches
Welche Stufen gibt es in der Hypnose?
Das sind Stufen, die das Gehirn mehrheitlich kennt. Trance, die erste Stufe, kennt man vom Lesen eines Buches oder von einer entspannten Autofahrt (schon einmal die Frage gestellt: „Wie bin ich nach Hause gekommen?“).
Die zweite Stufe, der Somnambulismus, ist wie das entspannte Liegen in der Sonne, wo der Körper sich schwer anfühlt und die Gedanken langsam wegdriften.
Der tiefe Somnambulismus, die nächste Stufe, fühlt sich in etwa so an, wie die Aufwachphase am Morgen. Du hörst den Wecker und gleichzeitig ist dein Körper sehr schwer und entspannt. Das Gehör ist da, aber der Körper ist unwichtig.
Der tiefste Zustand ist der Esdaile Zustand. Er ist auf James Esdaile zurückzuführen, der als Chirurg in indischen Gefängnissen Menschen behandelt hat. Er hat über mehrere Tage hinweg einen Zustand konditioniert, wo die Patienten ihren Körper nicht mehr gespürt haben. So kam eine spontane Anästhesie des Körpers zustande. Gleichzeitig haben die Patienten aber gehört, was Esdaile gesagt hat. Nach dem 2. Weltkrieg hat man das in den 50er 60er Jahren tatsächlich noch praktiziert (z.B. bei Kaiserschnitten in England und Frankreich). Leider ging diese Praxis verloren, weil man an die heutigen Anästhesiemittel gekommen ist. Und das, obwohl es heute binnen einer halben Stunde machbar ist, in diesen Zustand zu gelangen.
Der Vorteil beim tiefen Somnambulismus und beim Esdaile Zustand ist, dass es fast keine Blutung gibt. Man hat in diesem Zustand einen beschleunigten Heilungsprozess, weil Gewebe und Blut fast zum Stillstand kommen. Leider ist das für viele Ärzte zu wenig greifbar.
In welchen Bereichen ist Hypnosetherapie besonders erfolgreich, wo liegen die Grenzen?
Bei allem was mit Ängsten und Phobien zu tun hat, ist Hypnose die erste Wahl – etwa bei Spinnenphobien, Höhenangst, oder Platzangst. Aber auch bei Sozialphobien (wo Menschen nicht mehr in die Öffentlichkeit wollen), Schmerztherapie (Migräne) und für Stressabbau ist Hypnose wirksam. Wo die Grenzen sind? Dort wo effektive organische Schäden sind. Ein Riesentumor im Kopf ist ein Zustand wo Hypnose begleiten kann, aber der Tumor operativ entfernt werden muss.
Kann man sich auch selbst hypnotisieren?
Ja, kann man. Das funktioniert sogar per Audiofile. Was dadurch nicht gelingt ist Selbsttherapie. Dafür hilft Selbsthypnose bei Stress oder schlechtem Schlaf sehr gut.
Audiofile für die Selbsthypnose: Download
Was war Ihr größter Hypnose-Behandlungserfolg?
Kinder sind für mich die größten Erfolge. In der Schweiz werden immer mehr Kinder zum Schulpsychologen geschickt – Diagnose: ADHS. Das Ergebnis: Die Kinder bekommen Ritalin, ein Medikament, dass den Charakter und das Gehirn verändert. Aber es stellt die Kinder ruhig. Mithilfe der Hypnose kann ich den Kindern beibringen, sich zu konzentrieren. Und ein Kind darf natürlich Energie haben und zappelig sein. Ich bin selber Vater, deswegen empfinde ich das als meine größten Erfolge.
Mir ist wichtig, dass Hypnose das gleiche Ansehen wie jede andere Behandlungsmethode bekommt . Das liegt mir wirklich am Herzen. Die Menschen sollen der Hypnose eine echte Chance geben.
Über Mike Schwarz
Mike Schwarz ist diplomierter Hypnosetherapeut aus Baden/Schweiz und behandelt nach der von Jerry Klein entwickelten OMNI Methode. Diese Methode geht davon aus, dass viele psychische und körperliche Symptome ein emotionales Ereignis als Ursache haben.
Weiterführende Links:
- Hypnose Schweiz (bei Mike Schwarz)
- Rauchstopp mit Hypnose
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