Für jeden Geschmack etwas: Yoga ist eine lebendige Tradition, die Phasen des Wandels und der Weiterentwicklung erlebt hat. Besonders in den letzten Jahren vollzog sich die Entstehung neuer Yogarichtungen. Angesichts der Auswahl ist es für Yoga-Übende nicht leicht, einen Überblick zu gewinnen. Eines haben aber alle Yoga-Richtungen gemeinsam: Es sind die Meister, die uns die Essenz des Yoga vermitteln. Wir befragen daher bekannte Yoga-Lehrer zu ihrem Yoga-Stil.
Birgit Pöltl ist Anusara Inspired Yoga Teacher. Ein intensiver Weg, wie sie beschreibt. Ein Weg, der sich gelohnt hat, denn Birgit ist aus der österreichischen Yogaszene nicht mehr wegzudenken.
Birgit, was wolltest du als Kind eigentlich werden?
Birgit Pöltl: Ich kann mich erinnern, dass Krankenschwester ganz vorne in der Rangliste der Traumberufe dabei war. Als ich mit 5 Jahren wegen eines entzündeten Blinddarms im Krankenhaus landete, gab es eine wirklich sehr nette Schwester, die mich beruhigt und zum Lachen gebracht hatte. Das hat mich sehr beeindruckt.
Was waren deine Beweggründe, Yoga zu lehren? Und was hat dich letztendlich inspiriert, in die Anusara Richtung zu gehen?
Birgit Pöltl: Ich war schon immer besonders an philosophischen Themen interessiert die versuchen das Leben und die Welt zu erklären. Yoga bietet hierfür ein sehr reichhaltiges Repertoire. Meine erste Yoga Ausbildung, habe ich nicht im Hinblick darauf gemacht, Yoga zu unterrichten. Meine Freunde haben mich ursprünglich dazu überredet. Ich war, und bin noch immer, begeistert von der Möglichkeit über Körperarbeit auch Lebensthemen zu bewegen. Im Yoga lernt man achtsam mit dem Körper zu sein und schärft die Wahrnehmung für sich selbst und seine Umgebung. Das macht das Leben spannender und freudvoller. Diese Lehre weiterzugeben ist ein großes Privileg und eine große Verantwortung.
Heute zählst zu den wenigen Personen, die sich hauptberuflich dem Yoga widmen. Wie sieht ein typischer Tag bei dir aus?
Birgit Pöltl: Zu Beginn meiner Yogapraxis war ich noch Vollzeit in einem ganz „weltlichen“ Job beschäftigt. Eine Motivation meine Leidenschaft zum Beruf zu machen, war die freie Zeiteinteilung und mehr Möglichkeit für die eigene Praxis.
Um 6.00 h aufstehen und den Tag mit einer Meditation begrüßen. Danach ein Tee und mit dem Fahrrad ins Yogastudio. Gut gelaunt eine Yogaklasse am Morgen, danach ein paar E-Mails beantworten … Vormittags dann eine kleine Radtour in die Weinberge. Mittagessen biologisch und vegan. Am Nachmittag vielleicht noch die Webseite updaten und am Abend wieder eine Yogaklasse.
So hatte ich mir das vorgestellt. Heute weiß ich: Das ist ein Mythos.
Ein Drittel meiner Zeit bin ich unterwegs und darf Workshops und Ausbildungen unterrichten, oder bin selber Schüler. Die Zeit zu Hause wird dann entsprechend intensiv genutzt. Ich stehe ca. um 6.00 h auf und bin im Regelfall spätestens um 7.30 h im Büro. Als Erstes wird der Geschirrspüler ein- oder ausgeräumt und ein kurzer Kontrollgang durchs Studio gemacht (vergessene Handtücher und Flaschen einsammeln, Papierreste aufheben, Blumen gießen, Matten aufrollen …). Dann gibt es Frühstück und Morgen-Besprechung mit meinen Kollegen. Die Büroarbeit ist wahrscheinlich so wie bei den meisten anderen Jobs auch: E-Mails und Anrufe beantworten, Buchhaltung, Einkaufen, Glühbirnen wechseln, Webseite aktualisieren, Vor- und Nachbereitung von Ausbildungswochenenden. Am Nachmittag gibt es dann eine kleine Pause außer Haus, bevor ab 17.00 Uhr die Abend-Yogastunden stattfinden. Je nach Stundenplan endet der Arbeitstag zwischen 18.00 und 22.00 Uhr. Als Yogalehrerin bin ich hauptsächlich zu Zeiten beschäftigt, an denen andere Menschen ihre Freizeit haben: Abends und am Wochenende.
Der schöne Teil daran ist allerdings, ich darf beruflich das machen, was andere in ihrer Freizeit tun, und das oft auch an Orten an denen andere ihren Urlaub verbringen.
Kannst du den Weg beschreiben, um “Anusara inspired Yoga Teacher” zu werden?
Birgit Pöltl: Die Anusara Ausbildung beginnt mit drei Immersions mit einem Certified Anusara Teacher. Diese Immersions kann man übrigens auch bei verschiedenen Lehrenden machen. Wenn es dann noch interessiert ein Anusara Yogalehrer zu werden, kann das Anusara Teacher Training angeschlossen werden. Nach Abschluss des Teacher Trainings braucht es noch 2 Jahre Unterrichts-Praxis, bevor eine Lehrprobe abgelegt werden kann. Mit einer erfolgreichen Lehrprobe erhält der Lehrer / die Lehrerin eine Empfehlung mit der er/sie sich dann bei der Anusara School of Hatha Yoga oder bei Kula Evolution bewerben kann. Die letzte Entscheidung über den Inspired Yoga Teacher wird dann dort getroffen. Danach suchen sich die meisten Yogalehrenden einen Mentor, der weiter auf dem Weg begleitet und immer wieder Feedback zu Unterricht, Ausrichtung und auch philosophischen Fragen gibt.
Allen die sich für eine Anusara Ausbildung interessieren empfehle ich, Stundenlisten zu schreiben bei dem alle Workshops und Fortbildungen mit Anusara Certified Lehrern gesammelt werden. Diese können dann später bei der Einreichung hilfreich sein.
Was ist deiner Meinung nach der Kern der Anusara-Lehre?
Birgit Pöltl: Anusara bedeutet: „Deiner Natur folgen“, „Deinem Herzen folgen“. Shaktinipata anusarena shisyo nugraham arhati.
„Befindet sich der wahre Suchende in Einklang/Ausrichtung mit der Natur, ist er bereit, offen und fähig, das höhere Selbst zu erkennen.“
Das heißt, mit guter Ausrichtung des Körpers steigt die Fähigkeit und Sensibilität desjenigen Menschen, die Wahrheit und die eigene Großartigkeit zu erkennen. Glück ist absolut mit deiner Ausrichtung und Einstellung zur Natur verbunden. Das Bild des Lebensweges wird klar. Wenn eine korrekte Körperausrichtung vorhanden ist, ist der See klar und du kannst das Spiegelbild der Berge und Wolken sehen. Wenn das Wasser unruhig ist, siehst du ein verzerrtes Bild der Realität. Wenn du deinen Körper in eine optimale Ausrichtung bringst – mental, spirituell, emotional und körperlich – folgst du der Natur und deinem Herzen.
Im Anusara Yoga legen wir den Fokus auf Anatomie und auf Kinesiologie (die Lehre von der Bewegung und Bewegungsabläufen). Diese Arbeit ist aber untrennbar verflochten mit dem Geist und Spiritualität, einer energetischen Matrix. Körperliche und feinstoffliche Anatomie gehören für mich zusammen.
Gibt es ein Asana oder Pranayama, das du im Anusara Yoga für unverzichtbar hältst? Wenn ja, kannst du diese kurz beschreiben?
Birgit Pöltl: Anusara beschreibt drei A ́s die in allen Übungen versucht werden gleichzeitig zu integrieren:
- Attitute – Einstellung
- Allignment – Ausrichtung
- Action – Aktion
Die Einstellung ist die spirituelle oder emotionale Beziehung, die wir mit der Umwelt, mit der Welt an sich, oder zueinander haben. Der Geist, die Qualität im Geist, ist immer als Erstes zu beachten. Zum Beispiel: ein Herz ist gebrochen, eine Beziehung ist zu Ende. In dieser emotionalen Situation fallen die Schultern nach vorne und nach unten. Betroffene erfahren dieses Zusammenfallen dann zum Beispiel als Nackenschmerzen. Also versuchen wir im Anusara Yoga den Nacken wieder in eine optimale Ausrichtung zu bringen. Das hilft bis zu einem gewissen Grad. Aber solange die Einstellung nicht geändert wird, kann die richtige Ausrichtung nicht alles heilen. Die Energie wird die Schultern weiterhin aus der guten Ausrichtung herausziehen.
Anusara bedeutet für mich, die richtige Einstellung und Ausrichtung zu leben und in die Umstände (Zeit und Raum) einzubetten. Wir müssen lernen, auf eine harmonische Art zu leben. Und das ist dann die Aktion. Die Einstellung überprüfen, den Körper ausrichten und dann in Aktion bringen – auf der Matte und im Leben.
Hast du ein Motto, welches du Yogaübenden noch mit auf den Weg geben möchtest?
Birgit Pöltl: Bete nicht für ein einfacheres Leben, sondern für genug Kraft um ein spannendes auszuhalten. (Bruce Lee)
Danke für deine Zeit!
Lust auf Anusara Yoga mit Birgit Pöltl?
Besuche Birgit in ihrem Studio Yogazentrum Mödling. Oder hole sie zu dir nach Hause – auf YogaMeHome findest du sanfte bis schweißtreibende Stunden mit ihr.
Bildnachweis: Philipp Strom www.yogamehome.org