Die Natur macht es vor: Egal ob Baumstamm, Muscheln oder der Flügelschlag eines Kolibris. Spiralen wohin das Auge reicht. Die Dynamik der Spirale macht aber auch vor dem menschlichen Körper nicht halt. Wie ein roter Faden zieht sich dieses Konzept durch den ganzen Körper. Die Spiraldynamik liefert uns Wissen über die 3D-Verschraubungen im Körper und unterstützt uns dabei, Asanas korrekt auszuführen. Das ABC dieser Körpersprache haben wir aber nie richtig gelernt. Die gute Nachricht: Bewegungsintelligenz ist lernbar. Lehrmeister ist die Natur.
Vom Spiralwurm zur menschlichen Anatomie
350 Millionen Jahre vor dem Homo Sapiens. Ein wasserähnliches Tier begibt sich aus dem Wasser aufs Land. Die Motivation: Unmengen an Futter. Seine Flossen waren nicht mehr gefragt, Beine mussten her. Das war die Geburtsstunde der Rotationsrichtung im Körper. Das vermuten zumindest die Begründer der Spiraldynamik. Der Schweizer Arzt Christian Larsen und die französische Physiotherapeutin Yolande Deswarte waren auf der Suche nach dem natürlichen Prinzip, dass den dreidimensionalen Aufbau des Menschen erklärt. In den 80er Jahren fanden sie die Antwort in der Evolution: Tiktaalik, eine Gestalt zwischen Fisch und Frosch. Die vorderen Flossen drehte er in der Bewegung einwärts, die Hinterflossen benutzte er um sich abzustoßen – also auswärts. Anders ausgedrückt: Oberschenkel nach außen, Oberarme nach innen. Mehr dazu aber später. Auch die Technik produziert Spiralen am laufenden Band: Schrauben, Telefonkabel, Wendeltreppen um nur einige zu nennen. Das Prinzip der Helix zieht sich bis hin zur Krone der Schöpfung – dem Menschen.
Spiraldynamik von Kopf bis Fuß
Bewegung findet bevorzugt in Spiralen statt. Stell dir eine kleine Sprungfeder vor. Durch ihre spiralförmige Ausrichtung wird sie unter Belastung zusammengedrückt, ohne zu brechen oder ihre Form zu verlieren. Nicht nur das, durch das Zusammendrücken entwickelt sie eine natürliche Kraft, ohne viel Energie zu benötigen. Praktisch oder? Diese 3D-Verschraubungen finden wir in unserem Körper von Kopf bis Fuß. Dabei handelt es sich um Systeme,
- die in sich geschlossen sind z.B. der Fuß mit seinen Quer- und Längsgewölben oder
- als komplette Einheit zusammenarbeiten z.B. der ganze Bewegungsapparat beim Laufen.
Das Konzept der Spirale gibt uns eine Bewegungsanleitung, um den Körper richtig zu nutzen. Denn auch wenn wir im Yoga unsere Wahrnehmung stark schulen, nimmt der Ehrgeiz oft überhand. Spätestens am nächsten Morgen spürt man dann die Konsequenzen. Durch die Spiraldynamik können wir unseren Körper in den Asanas optimal einsetzen. So wird jedes Asana dem Bauplan der Natur nach geübt. Der Körper folgt seiner natürlichen Bewegung.
Das ABC der Spiraldynamik – eine Gebrauchsanweisung
Im Unterschied zur Sprache haben wir das ABC der Körpersprache nie richtig gelernt. Die Qualität der Bewegung verhält sich wie mit einem Buch. Es kommt nicht auf die Menge der Buchstaben an, vielmehr zählt der Inhalt. Der Unterschied liegt im Sinn, der sich daraus ergibt. Genau so verhält es sich mit der Ausführung von Asanas. Was nützen 108 Sonnengrüße, wenn ich sie mir mit zunehmenden Kniebeschwerden erübe? Spiraldynamik macht die Ausführung der Asanas präziser, so dass diese anatomisch sinnvoll sind. Der Lehrmeister ist die Natur. Drei Grundprinzipen gibt es zu berücksichtigen:
- Das Polaritätsprinzip: Becken und Kopf sind die zwei Pole der Wirbelsäule, so wie Norden und Süden. Dazwischen rotiert etwas. Allerdings wechselseitig. Im Yoga führen wir die Bewegung daher immer über Kopf und Becken – egal ob streckend, beugend oder drehend.
- Das Aufrichteprinzip: Dieses Prinzip baut auf dem Polaritätsprinzip auf. Indem Kopf und Becken anatomisch richtig ausgerichtet werden, ergibt sich ein Zug auf die Wirbelsäule. Das Becken wird aus dem Hohlkreuz aufgerichtet (Steiss nach unten, Bauchnabel nach oben), der Kopf aufgerichtet (Hinterkopf nach oben, Nasenspitze leicht nach unten), Dazwischen spannt sich die Wirbelsäule auf. In der Spiraldynamik nennt man dies die aktive Selbstverlängerung.
- Das Spiralprinzip: Dieses Prinzip verhält sich analog zum Aufrichteprinzip – nur achsensymmetrisch. Die Spiralen ergeben sich dabei aus den jeweiligen Drehrichtungen der Pole um die Raumachse. Anschauliches Beispiel ist ein Handtuch: Wenn man diesen gleichmäßig an beiden Enden in entgegengesetzte Richtungen wringt, entsteht ein C-Bogen. Wenn man weiter dreht, drehen sich die Enden des Handtuches S-förmig weg. Tadaaa – so hat man eine 3D-Schraubenspirale oder Helix erschaffen.
Spiraldynamische Asanas am Beispiel Tadasana (der Berg)
Wir weichen bei der Hatha-Yoga Praxis häufig auf jene Teile der Wirbelsäule aus, die bereits überflexibel sind: die Hals- und Lendenwirbelsäule. Die Brustwirbelsäule, die mehr Beweglichkeit nötig hätte, bleibt steif. Durch das Konzept der Spiraldynamik kann man dies durch ein aufgerichtetes Becken vermeiden. Am Beispiel Tadasana kann dieses Prinzip sehr gut veranschaulicht werden:
- Stell dich hüftbreit auf deinen Matte, Füße paralell ausgerichtet. Schaffe eine feste Basis indem du das Gewicht in den Füßen auf Großzehenballen, Kleinzehenballen und auf der Ferse verteilst.
- Strecke die Knie, ohne sie dabei nach hinten durchzustrecken. Die Kniescheiben zeigen gerade nach vorne.
- Ziehe die Oberschenkel nach innen, so weiten sich deine Sitzbeinhöcker. Richte dann dein Becken etwas auf, indem das Kreuzbein nach unten zieht. Steißbein leicht eingerollt. Dadurch hebt sich das Schambein vorne hoch in Richtung Brustkorb, der Bauchnabel zieht leicht Richtung Wirbelsäule. Achtung: Der Po ist dabei nicht angespannt.
- Öffne die unteren Rippen nach unten und die oberen Rippen nach oben – wie einen Fächer.
- Lass die Schultern nach hinten unten und dann nach außen sinken.
- Der Schultergürtel befindet sich gerade über dem Becken. Arme sind locker neben dem Körper, lasse aber ein wenig Luft zwischen Arm und Körperseite. Die Achselhöhlen können „atmen“.
- Hinterkopf leicht nach hinten aufrichten und die Nase leicht nach unten. Dein Kopf ist frei und leicht.
- Mit jedem Einatmen wächst du nach oben bis in den Scheitel, mit jedem Ausatmen verankerst du die Füße mehr in den Boden.
Diese Form der Ausrichtung soll in Rückbeugen nicht vergessen werden. In der Rückbeuge wird ein gleichmäßiger C-Bogen geformt. Diese Kurve ist gut, solange T12, das ist der Übergangswirbel zwischen Brust und Lendenwirbelsäule, nicht abknickt. Dadurch kommt man vorerst nicht so weit in die Rückbeuge, nach und nach wird die Brustwirbelsäule aber beweglicher. Ein weiteres Beispiel spiraldynamischer Ausrichtung findest du hier für den Drehsitz.
Es lohnt sich, die anatomische Erfahrung der Spiraldynamik nach der Yoga-Stunde auch mit nach Hause zu nehmen. Denn auch bei anderen Arten von Bewegung, z.B. im Sport oder bei der Hausarbeit, kann man dieses Konzept der Natur nutzen. Mir hat die Spiraldynamik auf alle Fälle den Kopf verdreht.
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Den ersten Artikel den ich zu Yoga und Spiraldynamik finden konnte!!!! SUPER!! Danke !